Am Ende der Kraft ist der Weg noch nicht zu Ende

Wege aus der Burnout-Falle

Am Ende der Kraft ist der Weg noch nicht zu Ende

Die Luft ist raus, nichts geht mehr. Burnout – dies ist der Begriff, der einen Zustand beschreibt, den mittlerweile jeder neunte Deutsche kennt. Jeder zweite bis dritte Bundesbürger fühlt sich davon bedroht. Burnout war lange nur ein Begriff, der offizielle war stets die Erschöpfungsdepression (ICD-10 F.32). Mittlerweile wird er auch von Ärzten benutzt. Was ist ein Burnout und vor allem: Was kann man dagegen tun? Einem Burnout gehen viele Vorstufen der Erschöpfung voraus. Die Symptome, die der Körper als Alarmzeichen zeigt, ähneln denen einer Depression, wodurch auch von einer Erschöpfungsdepression gesprochen wird: Müdigkeit und Erschöpfung, Überforderungsgefühle, innere Unruhe, nachlassende Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen, Nervosität, Entscheidungen fallen schwer, Fehler passieren, Ängste entstehen, sozialer Rückzug, innere Leere, Reizbarkeit, Lustlosigkeit, Übellaunigkeit, Kraftlosigkeit, Stimmungsschwankungen und körperliche Symptome (Kopf-, Magen-, Rückenschmerzen, Schwindel, häufige Infekte, Tinnitus, Herz- Kreislaufprobleme).

 

Je weiter die Erschöpfung fortgeschritten ist, umso mehr Symptome treten auf, und umso schwerer fällt es, Pausen zu machen und abzuschalten. Ohne Pausen durchhalten, Überstunden machen, an Grenzen gehen, um mehr Leistung zu bringen, ist in unserer Gesellschaft an der Tagesordnung, es ist gewollt und wird belohnt. Eine Spanische Siesta beispielsweise wäre in Deutschland undenkbar. Wer den Spagat zwischen Familie und Beruf täglich bewältigen muss, wird sie kennen, diese Anzeichen der Erschöpfung, das Gefühl, die „Nerven liegen blank“, „alles ist zu viel“. Besonders Alleinerziehende sind davon betroffen, Pendler beispielsweise ebenso und es gibt viele weitere Risikogruppen. Wer Alarmzeichen / Symptome bei sich bemerkt, sollte früh handeln. Die beste Präventionsmaßnahme ist, aus dem eigenen Teufelskreislauf auszusteigen. Das Hamsterrad verlassen. Egal was die anderen sagen. Das geht am besten mit dem „Druck raus – Hilfe rein – Prinzip“. Aussortieren, was nicht lebensnotwendig ist, besonders Termine und zusätzliche Belastungen. Und outsourcen was geht, abgeben, Hilfe ins System holen. Wenn auch nur übergangsweise.

 

Wer die Alarmsignale überhört und auf seinen persönlichen Abgrund immer weiter zusteuert, erlebt irgendwann den finalen Zusammenbruch, den allerdings erlebt jeder Betroffene unterschiedlich. Der eine kommt morgens nicht mehr aus dem Bett, der nächste findet im Kreisverkehr nicht mehr die richtige Ausfahrt und kann nicht mehr weiter fahren, wieder ein anderer bricht weinend zusammen oder der Körper sagt einfach Error. Wer diesen Punkt erreicht hat, braucht deutlich länger, um wieder gesund zu werden als jemand, der noch in einer der Vorstufen die Notbremse gezogen hat. Doch gerade das fällt so schwer. Sich einzugestehen, dass es so nicht mehr weiter geht, dass Hilfe nötig ist, dass sich etwas ändern muss, all das ist am Ende der Kraft oft nicht mehr möglich. Denn das Nervensystem hat längst auf ein Notprogramm geschaltet und funktioniert wie im Tunnelblick weiter. Für Angehörige ist das schwer auszuhalten. Sie sehen längst, dass der geliebte Mensch auf einen Abgrund zusteuert, können aber nichts tun, um diesen Prozess zu stoppen.

 

Der Weg zum Arzt ist dann oft der letzte Schritt, und gleichzeitig auch der erste in ein neues Leben. Wurde die Diagnose Burnout oder Erschöpfungssyndrom diagnostiziert, folgt eine in der Regel längere Krankschreibung. Die Genesung beginnt in dem Moment, wo die eigene Erschöpfung erkannt und angenommen werden kann. Und dann geht die Arbeit erst richtig los. Es gilt, das zu verändern, was zum Zusammenbruch geführt hat. Dies gelingt mit therapeutischer Hilfe deutlich einfacher und schneller. Viele Patienten beantragen eine Reha oder eine Kur oder suchen den Weg zum Therapeuten oder Coach. All das, was hilft, um wieder zu Kräften zu kommen, ist ebenso wirksam, um es gar nicht so weit kommen zu lassen.

 

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man sich nur noch mehr anstrengen muss, dann wird es schon. Genau das Gegenteil passiert. Wer dagegen auf sich achtgibt, sich wichtig nimmt, sich abgrenzen kann und Tankstellen hat, der ist leistungsstark und kann auch für andere da sein. Dann ist auch noch Kraft übrig, wenn der Weg mal wieder länger dauert.

 

Friederike von Bredow
Dipl. Pädagogin, systemische Paar- und Familientherapeutin
www.neuewege-beratung.com

 

Veröffentlich in Kinderkram – Das Kieler Magazin für Menschen mit Kindern · Nr. 208 · April 2019

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