1, 2, 3 – MEINS!

Pädagogische Gedanken zum Kinderzimmer

1, 2, 3 - Meins! Pädagogische Gedanken zum KinderzimmerVier Wände, ein Bett, ein Schreibtisch und bunte Tapete machen noch kein Kinderzimmer aus. Ein Kinderzimmer ist der Ort, an dem ein Kind sich nachts vom Tag erholt, spielend die Welt entdeckt, tobt, sich zurückzieht, versteckt, für die Schule lernt und Freunde dorthin einlädt. Also der Raum, in dem es zum ersten Mal etwas Eigenes hat, sich abgrenzt von Eltern und Geschwistern, was auf dem Weg der Ich-Entwicklung ein wichtiger Schritt ist.

Kleine Kinder halten sich immer da auf, wo die Eltern sind. Ist die Mutter nicht gern im Kinderzimmer, mag das Kind dort auch nicht sein. Spielt die Mutter mit dem Kind auch mal im Kinderzimmer, liest dort ein Buch oder faltet die Wäsche dort, lernt das Kind, sich dort wohl und sicher zu fühlen, auch wenn mal kein Erwachsener da ist. Größere Kinder beschäftigen sich zunehmend allein im Kinderzimmer, hören CD, bauen Höhlen, spielen mit Freunden dort.

Was muss man beachten, damit sich Kinder in ihrem Zimmer wohl fühlen und gern dort aufhalten?

Eine kindgerechte Umgebung ist besonders im Kinderzimmer eine sichere Umgebung, d.h. keine scharfen Kanten, gesicherte Steckdosen, Spielzeug, das nicht verletzen oder verschluckt werden kann. Ist das sichergestellt, ist schon viel gewonnen. Denn dann kann das Kind, egal ob groß oder klein, spielen, ohne ständig gemaßregelt zu werden. Dazu gehört auch bruchsicheres Spielzeug. Hört ein Kind ständig die mahnenden Sätze „Vorsicht!“, „Achtung!“, „Nicht kaputt machen“, wird es in seinem Spielfluss gebremst. Wenn dann doch mal etwas kaputt geht, ist das zwar schade, aber kein Weltuntergang.

Beim Spielzeug wie bei der Dekoration gilt die Faustregel: „Weniger ist mehr“. Ist es zuviel Spielzeug, ist das Kind überfordert und kann sich nicht entscheiden, womit es spielt. Dann kommt es doch eher wieder zur Mutter und fordert sie zum Spielen auf.

Neben der so genannten „Freispielzeit“, in der ein Kind sich selbst beschäftigen kann, braucht es auch Zeiten, in denen die Eltern mit den Kindern spielen, auch im Kinderzimmer. Hier spielt das Beziehungsangebot eine ebenso große Rolle wie die Vorbildfunktion. Gerade Karten- und Brettspiele sind großartig, um soziale Kompetenzen zu lernen. Dabei schauen sich Kinder von ihren Eltern ab, wie diese mit Frustration, Enttäuschung, aber auch Erfolgen umgehen, wie sie sich konzentrieren, anstrengen, aushandeln, austauschen usw.

Ganz wichtig ist, dass das Kind Spiel-Materialien hat, mit denen es selber aktiv werden und seiner Fantasie freien Lauf lassen kann, z.B. selber Türme errichten, Höhlen bauen usw., also Decken, Tücher, Bauklötze, Wolle etc. Ganz gleich, welches Spielzeug: es ist in jeder Altersgruppe wichtig, das Spielzeug gemeinsam mit dem Kind zu entdecken und dabei ein Beziehungsangebot zu machen, und zwar nach dem Motto: „WIR schauen jetzt mal, was das ist und was man damit machen kann!“

Wenn das Kind dann signalisiert, dass es damit alleine spielen will und kann, darf man es ruhig lassen und greift nur ein, wenn es nicht weiterkommt und um Hilfe oder einen Mitspieler bittet.

Die Kinderzimmerdekoration sollte sparsam vorgegeben sein: vielleicht eine leicht getönte Wand, nicht zu grelle Farben. Kinderzimmer, die vor blendenden Farben, Bordüren, buntem Spielzeug und leuchtenden Lampen strotzen, können das Kind leicht reizüberfluten. Das ist dann so, als wenn wir Erwachsene Tag und Nacht bei IKEA wohnen würden: auf Dauer wären das zu viele Reize.

Dazu kommt, dass das Kind zu einer vorgegeben Dekoration keinen Bezug hat, sie interessiert es nicht, weil es damit nichts verbindet. Schöner ist es, die Deko mit dem Kind selber herzustellen. Z.B. ein Bild für die Wand selbst malen, ein Foto der Familie gemeinsam einrahmen und aufhängen, einen Lampenschirm aus Elefantenhautpapier herstellen, selbst bemalen oder bekleben und um die Lampe herum hängen.

Schön ist es auch, gemeinsam jahreszeitliche Deko herzustellen (Frühlingszwiebeln einpflanzen und beim Wachsen beobachten, Kastanienmänner im Herbst, ein Schneemobile im Winter usw.). Das Spielzeug kann gemeinsam mit dem Kind ausgesucht werden. Was möchte es gerne in seinem Zimmer haben? Was soll dagegen lieber im Wohnzimmer zum Spielen bereit liegen? Je älter das Kind wird, desto spezifischer kann die Kinderzimmer-Dekoration nach den Vorlieben des Kindes gestaltet werden, z.B. Pferde, Fußball, Puppen usw. Ein sanftes Nacht-Licht gibt in der Dunkelheit Sicherheit und vermittelt Geborgenheit.

Ein Kind, das sein Kinderzimmer mit Geschwistern teilt, braucht insbesondere einen separaten Bereich, der z.B. durch Farben und einen Raumteiler gekennzeichnet ist.

Größter Streitpunkt zwischen Kindern und Eltern im Kinderzimmer ist die Ordnung bzw. das Chaos. Das Thema ist so umfangreich, dass hier der Platz nicht ausreicht. Am wichtigsten ist es, das Aufräumen von klein an zur Selbstverständlichkeit zu machen und mit positiven Gefühlen zu besetzen. So können schon die Eltern eines einjährigen Kindes abends als Ritual alle Spielzeuge gemeinsam mit dem Kind mit einem Gute-Nacht-Kuss zurück in ihre Schlaf-Kiste räumen („gute Nacht Auto, gute Nacht Bärchen...“). Beobachtet ein kleines Kind seine Eltern beim Aufräumen, lernt es von seinem Vorbild. Später wird es Phasen geben, wo das Kind auch das Chaos ausprobiert. Hier müssen Regeln festgelegt werden, innerhalb derer sich das Kind frei bewegen und sich ausprobieren kann. Zu diesem Thema gibt es viel Literatur mit guten und praktischen Tipps.

Ein hochaktuelles und brisantes Thema sind Medien im Kinderzimmer.
Der Standpunkt der Fachleute ist hier eindeutig: Kassettenrecorder und CD-Player mit altersgerechten Cds sind in Ordnung, Computer unter bestimmten Bedingungen und Fernseher auf keinen Fall. Ein Fernseher gehört nicht ins Kinderzimmer, er unterliegt der Kontrolle der Eltern und nicht der Kinder. Zum Ende der Pubertät, wenn das Kind zum Jugendlichen wird, kann ein Fernseher im Jugendzimmer stehen, wenn der Jugendliche dazu in der Lage ist, den Aus-Schalter zu drücken und den eigenen Fernsehkonsum selbst zu regulieren.

Ein Computer dagegen kann im Kinderzimmer stehen, sobald das Kind sicher Lesen und Schreiben beherrscht, also mit 8–9 Jahren. Der PC sollte gemeinsam mit den Eltern entdeckt und kindersicher gemacht werden (kein Internetzugang vor der Pubertät, keine Gewalt verherrlichenden Spiele) und der Konsum sollte gemeinsam, hauptsächlich jedoch durch die Eltern, reguliert werden. Denn Kinder sind von der Entwicklung des Gehirns her vor dem Teen-Alter dazu physiologisch nicht in der Lage. Die Reize, die vom PC ausgehen, sind zu stark, als dass ein Kind selbst den Aus-Knopf findet. Der PC kann gut für Lernspiele, fürs Schreiben üben, für die Bildbearbeitung usw. genutzt werden, alles was die Kreativität, Geschicklichkeit und Konzentrationsfähigkeit schult. Eine Liste altersgerechter und gewinnbringender Spiele finden Sie unter www.sin-net.de unter dem Reiter Empfehlungen; viele gute Tipps und Tricks für den pädagogischen Umgang mit Medien bietet die Aktion Jugendschutz auf www.ajs-bw.de.

Da heute der PC zunehmend den Fernseher ersetzt und die Fernsehprogramme auch übers Internet zugänglich sind, muss es hier besondere Absprachen zwischen Eltern und Kind geben. Sind diese nicht möglich und schaut ein Kind über den PC Filme, die es in seiner Entwicklung beeinträchtigen und schädigen, sollte der PC wieder der elterlichen Kontrolle und Aufsicht unterstellt werden. Präventiv hilft hier ein sensibler und offener Umgang mit den Vor- und Nachteilen der Medien, aber auch mit den altersentsprechenden Bedürfnissen des Kindes. „Es gibt für alles eine Lösung!“ könnte das Motto dieses schwierigen Aushandlungsprozesses zwischen Eltern und Kind sein.

Ein Kinderzimmer ist also noch so viel mehr als die ersten eigenen vier Wände.
Auch für Kinder gilt: My home is my castle!

Friederike von Bredow
Dipl. Pädagogin, systemische Paar- und Familientherapeutin
www.neuewege-beratung.com

 

Veröffentlich in Kinderkram – Das Kieler Magazin für Menschen mit Kindern · Nr. 123 · Oktober 2010

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